Global gedacht, lokal machbar?

Gesellschaftlicher emotionaler hype als beispiel für wirrgeleitete politische entscheidungen


Zeitgeist

Die Logik der Unlogik

Wie Hypes die Vernunft ersetzen

Das Bemühen, der Umweltzerstörung Einhalt zu gebieten, oder mit einem Schlagwort gesagt, ökologisch zu sein („grün“), ist landauf, landab zu spüren und es ist ernst gemeint. Doch wie sagt das Geflügelte Wort: Gut gedacht ist noch lange nicht gut gemacht. Wenn man, um bei den Metaphern zu bleiben, mit der Wurst nach der Speckseite wirft, dann stößt man mit dem Hintern um, was man mit Händen zu errichten versucht. Am Beispiel der Flaschen, die wir so täglich in der Hand halten, verdeutlich:

 

Aus einer Pressemitteilung, die im Kern sagt, Lidl woll in wenigen Jahren 100 Prozent seiner Eigenmarke-Plastik-Einwegflaschen der Wiederverwendung (Receycling) zuführen: 

„Früher gab es Einheitsflaschen, die jeder Abfüller benutzt hat. Mittlerweile aber sind Mehrwegflaschen individualisiert mit Reliefs, Gravuren und Schriftzügen. Also können die Flaschen auch nur noch von einem Unternehmen benutzt werden und müssen jedes Mal quer durch die Republik gefahren werden. Und da reden wir über Entfernungen, die echt gravierend sind.“ Da könne die Ökobilanz schnell kippen. „Wir kriegen heute 400.000 zusammengequetschte Plastikflaschen auf einen Lkw, um sie zum Recyclingwerk zu fahren“, rechnet Chrzanowski vor. „Bei Glas-Mehrwegflaschen sind es vielleicht 14.000 pro Lkw. Da wird also viel Luft durch die Gegend gefahren.“

Wie entsteht eine Glasflasche? Als erstes braucht man Silicium, bei uns meist in Form des gewöhnlichen Sandes benutzt. Ein paar andere Zutaten braucht es auch noch. Diese werden quer durchs Land gefahren, oft über hunderte von Kilometern. Der Energieaufwand zum Schmelzen des Gemenges, aus denen die Flaschen gegossen werden, ist ziemlich gigantisch. Die fertigen Flaschen kommen palettenweise – oder auch wieder hunderte Kilometer entfernt – in einen Abfüllbetrieb. Von dort in den Großhandel, was einschließt, dass die Materie Glas zum dritten mal quer durch die Republik gezogen wird. Dann gehts zum Einzelhandel. Dann nimmt der Kunde die Flaschen mit nach Hause. Trinkt sie leer und bringt die Falschen zurück, vom Einzelhandel gehts zum Großhandel, von dort zur Glasfabrik zum Receycling oder zur Müllverbrennung zwecks Stabilisierung des Feuers für den übrigen Restmüll. Der Transport- und Arbeitsaufwand ist groß, sehr groß, und logisch damit teuer. Dennoch kommt man mit ein paar Cent Pfand an der wirklichen Kostenübernahme vorbei; Teile der Gestehungskosten werden also in das Trinkgut als solches geschmuggelt. Ein Liter Wasser, der trinkbar und absolut hygienisch, jederzeit und als das auf der Welt am strengsten kontrollierte Wasser in jedem Haus für Bruchteile von Cents ankommt, kosten so 10, 20, 50 Cent, über einen Euro und im Restaurant nicht selten 5, 6, 7 Euro. 

Hier ist nicht die Rede von Kleinstmengen. 

Pro statistischem Kopf entfallen in Deutschland rund 800 Liter auf Verpackungen, die zumindest aus Glas sein können (Erfrischungsgetränke, Fruchtsäfte, Bier, Wein, Wasser usw.). Pro Flasche als nur der Einzelhandel-Verbraucher-Hin- und Rückweg  1,9 kg Transporgewicht. Alleine Mineralwasser verursacht jährlich rund 20 Mio Tonnen Falschentourismus auf der „letzten Meile“. Stellte man alle Lastwaren, die dafür notwenig sind, hintereinander, ständen 10 komplette Reihen von Flensburg bis Kempten. 

Kann der Wahnsinn größer sein? Aber die öffentliche Meinung schreit hysterisch nach Mehrweg und damit nach einem Transportaufwand, der jährlich mit Milliarden Lastwagenkilometern die Straßen verstopft, Benzin und Menschenleben kostet, denn statistisch kommen die Getränkelaster nicht an Unfällen mit Todesfolge vorbei. 

Bei Einwegflaschen fallen auch riesige Transportvolumina an. Aber eben, man könnte auch einen Teil davon umleiten, auf kurzem Weg und näher vor Ort wieder- und weiterverwenden oder sogar in Müllverbrennungsanlagen neuester Technologie für die Luft schadstofffrei entsorgen (die Substanzen würden vorher herausgefiltert und bewacht-gezielt wieder- und weiterverwendet). Man könnte vieles, was aus Kunststoff sinnvollerweise hergestellt wird, von der Parkbank über Verkehrsschilder bis hin zu Gebrauchsgegenständen mannigfacher Art vor Ort abfangen oder dezentral (leichter als bei und mit Glas) wieder Abfüllgefäße daraus herstellen. 

Es ist keine 100-Prozent-Aufwand-Vermeidungssache, 

aber gemessen an bisheriger Meinung und Manufaktur über und mit Glas ein 100 minus X. Wir reden bei den riesigen Glasflaschen von ökologisch, weil sie nicht nur einmal, sondern zigmal durchs Land geschaukelt werden und vergessen in dieser vermeintlicht grünen-umweltbewussten Diskussion nur allzu oft, dass es Alternativen zum Flaschentransport und damit Energieverbrauch gibt. Erfrischungsgetränke kann man zu Hause mit Sirup herstellen und Wasser aus der Leitung. Nichts andes, exakt nichts anderes, tun die Markengetränke, die wir für verdammt viel Geld im Supermarkt kaufen. Wer es sprudelnd haben will, kann auch das zu Hause besorgen und trinkgerecht aufbereiten. Gleichwohl die Kartuschen-Verkäufer das Volk ebenso abzocken wie die Markenartikel-Hersteller mit ihrer Hochpreispolitik aus verkaufsstragegischen Gründen. 

Nein, logisch und sachlich ist die ganze Debatte über die Ökologie von Trinkgefäßen, vulgo Mehr- oder Einweg-Flaschen wahrlich nicht. Aber sie ist ein gutes, ein prototypisches Beispiel dafür, dass es beim vermeintlichen Retten der Welt gar nicht um die Fakten, die Sache, die Ursache-Wirkungs-Kette geht, sondern nur um gesellschaftlich diktatorisch vorgegebene völlig willkürliche Moral-Paradigmen, die weder Hand noch Fuß haben noch in genügendem Maße auf Alternativen hinweisen. 

 

Es ist wie so vieles im heutigen politisch-gesellschaftlichen Leben: Wir wollen nicht eine gute Lösung und sinnvolle Innovationen, wir wollen nur darüber labern, damit wir unser Gewissen beruhigen aber ansonsten von aller Verantwortung befreit sind. 


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Zum persönlichen optischen und mentalen Verzehr.
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